Vor lauter Bäumen den Wald nicht sehen?

von Lorenz
Vorige Woche war ich bei der Filmpriemiere „Landraub“ von Kurt Landbein.

diskussion war es keine, kaum auf dem podium, und aus dem publikum waren nur fragen und keine „seminarvorträge“ zugelassen. es ging dabei durchgehend um das, was „die politiker“ machen und nicht machen und vor allem, was sie machen sollten, um die konzerne zu zähmen. geld, markt, staat haben keine eigene, mit menschlichen und anderen lebendigen bedürfnissen halt nicht so kongruente logiken, sondern sind bloße mittel, die man nicht wie gegenwärtig so häufig mit „gier“, sondern vernünftig und menschenfreundlich handhaben muss, damit alles ins lot kommt, und unsereins soll richtig wählen, demonstrieren oder kompetent und sachverständig auf die politik einwirken, damit sie richtig funktioniert.

das nachdenken, was politische institutionen samt ihrer opposition und den vorgelagerten zivilgesellschaftlichen org. eigentlich repräsentieren und bewirken, scheint da als eher überflüssig zu gelten, weil diese schlicht eh klar. die überlegung, dass menschen ihr leben miteinander und mit der welt direkt, das heißt mit zugang für jede und jeden in der hand haben und in abwägender und stets korrigierender rücksichtnahme aufs ganze gestalten sollten, hat unmittelbar kein echo, sosehr schienen alle rednerInnen sich als räsonierender part der herrschenden grundlagen zu verstehen.

interviewte und gefilmte manager wollten nach dem erscheinen des trailers den film sehen, haben ihn bekommen. seitdem keine rückmeldung. sie scheinen sich bis dato nicht so zu fürchten, dass sie etwas unternommen hätten. dürfte bei solchen filmen bis jetzt eher generell so sein.

Der Film ist eine Dokumentation über das forcierte Eindringen von Investoren in Rumänien, Kambodscha und Äquatorialafrka in den letzten Jahren (seit so vor acht Jahren von den „Fachleuten“ Landwirtschaft als große Profitchance ausgerufen wurde). Eindrucksvoll die Gegenüberstellung der smarten Redeweise der Kapitalvertreter und der Schilderungen der direkt Betroffenen, ja das Filmen direkter manifester Gewalt gegen sie. Eindrucksvoll aber auch auch das Reden gutmeinender Oppositionspolitiker, die den Eindruck machen, dass alles anders wäre, wenn sie nur mehr Stimmen bei Wahlen hätten.

Danach gab es eine Podiumsdiskussion u.a. mit Kurt Langbein. Getragen war sie von der zähen Hoffnung der Diskutanten,
dass Staat und Politik nicht die zusammenfassende und garantierende Agentur des Geldkapitalbetriebs sind,
dass die gute Opposition, wenn wir sie bei den Wahlen stark genug machen, etwas grundsätzlich anderes machen wird als die gegenwärtig Regierenden oder
dass diese Regierenden wegen unserer Petitionen und Demos ihre Agenda nicht mehr am Geldwachstum ausrichten werden.

Dazu ein paar Überlegungen:

Staaten und Staatenbünde sind aber dazu da, „die Wirtschaft am Laufen zu halten“, darauf zu achen, dass „Geschäfte“ gemacht werden können und damit direkt oder indirekt die dafür verzweckten WArbeitsplätze gesichert“ oder „neue geschaffen“ werden können. Jeder verantwortliche Politiker von links bis rechts redet doch offen davon, dass es dazu „Wachstum“ braucht. Ein „Geschäft“ „rentiert“ sich doch nur, wenn am Ende mehr Geld da ist als am Anfang, und investiert wird doch nur, weil man hofft, dass dabei „was rausschaut“. (Auch wenn das heute sehr oft schon nur mehr Spekulationsblasen sind, die da aufgeblasen werden, bis sie platzen).

Wer immer in der Opposition etwas anderes gesagt hat, musste sich doch seit weit über hundert Jahren, wenn er dann an der Regierung war, den „Sachzwängen“ beugen, weil eben Staat und Politik mit dem Geschäft auf engste verflochten sind, ja allein vom Geschäftserfolg alimentiert werden. Natürlich gibt es auf jedem Vormarsch der Investoren Teilrückzüge, aber die Geschichte zeigt doch, dass es Selbstbetrug ist, in solchen Erfolgen schon eine Änderung der Grundlagen sehen zu wollen (Selbst im Land von Fukoshima werden wieder die AKWs hochgefahren). Und doch ist eine solche Änderung, also das Abgehen von Geschäftserfolg und Geldwachstum als Grundlage unseres Lebens, wahrscheinlich die Vorbedingung für unser Überleben auf dem Planeten.

Ich wünsche mir, dass dabei „ein gutes Leben für alle“ herauskommt. Dafür muss, so glaube ich, die buntscheckige Menschheit in überschaubaren Gruppen nach innen und außen kooperieren können und so ganz direkt ihr Leben in die Hand bekommen, statt von politischen und ökonomischen Führern und Bürokratien verwaltet zu werden. Wir müssen uns auf gleichrangige Beziehungen untereinander und auf die Dinge konzentrieren, die wir für ein gutes Leben wirklich brauchen, statt auf stets wachsende Produktion und einen Konsumismus im Dienst der Rentabilität investierten Gelds.

Am ehesten tauchen solche Gedanken ja – leider außerhalb dieser Podiumsdiskussion – eh noch bei Lebensmitteln und Pflege des fruchtbaren Bodens auf und entwickeln zarte Wurzeln wie in der „solidarischen Landwirtschaft“. Man kann ja nicht übermäßig zuversichtlich sein, dass nicht auch da die so selbstverständliche und in ihrer Destruktivität meist verkannte „Notwendigkeit“ von Geschäft, Geldverwertung, Wachstum diesen fruchtbaren Boden wieder in die Tiefe zufrieren lässt, Aber chancenlos sind wir da wieder auch nicht.

Wichtig wär es jedenfalls. Denn wo das Geschäft flächendeckend nicht mehr hinhaut und die Investoren an einen zukünftigen Erfolg der Geldvermehrung nicht mehr glauben, zerschmilzt die Marktkonkurrenz, die der Kern von Staatlichkeit, Wirtschaft, Rechtsordnung etc. ist, langsam oder schnell zur blanken Gewalt, wie es im wachsenden Kreis der „failed states“ zu sehen ist.

Und wer von dort davonrennen kann und hofft, dass er/sie hier, wos grad noch irgendwie geht, „Friede und Arbeit“ findet, beschleunigt dann das, was wir auch hier grad zu erleben beginnen – den Vormarsch der rechten „Zucht und Ordnung“ in die politische „Verantwortung“, mit dem alle Angstbeißer glauben, das untergehende System des Geldwachstums retten zu können, während vor allem diejenigen, die Flüchtlinge und Migranten eher als preiswerte Pfuscher und Haushaltshilfen kennen, unverdrossen darauf hoffen, dass die Dinge durch eine „bessere Politik“ schon noch in Ordnung kommen werden.

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