Fußbeschwerden

Dialog zwischen Fuß, Fels, Wiese und Über-Ich

von Hedwig

Fußbeschw01

Fuß: Hoppla, entschuldigen Sie, hab ich Sie zu fest getreten? Mein Über-Ich meint halt immer noch, dass es mit mir rumspringen kann wie mit einem Jungen.

Fels: Grüß Gott! Keineswegs haben Sie mich zu fest getreten, mich kann nicht so leicht etwas aus der Fassung bringen; schon gar nicht Ihr zartes Fusserl. Ich stehe seit Jahrtausenden felsenfest hier herum, da fällt mir nicht so leicht ein Stein aus der Krone.

Fuß: Oh, wie charmant! Ihr Salz und Pfeffer-Outfit find ich übrigens auch sehr attraktiv. Aber mein Über-Ich rührt kein Ohrwaschl, wenn ich mich wegen Überbeanspruchung beschwere.

Fels: Nur zu, solange es keine Klagen gegen mich sind!

Fuß: Also mein Über-Ich glaubt immer mit mir umgehen zu können wie mit einem jungen Fuß.

Fels: Jetzt wiederholen Sie sich aber, mein lieber Herr Fuß!

Fuß: Ja, das muss ich wohl, weil mein ÜI seit Jahren keine Rücksicht nimmt. Es lackiert mich, schmiert mich und blamiert mich, wo es nur geht. Zwängt mich in Schuhe, die zwicken, man sieht doch die Adern, die dicken, die verkrümmte kleine Zehe, wehe, die verschrumpelte Haut, vor der bald jedermann graut.

Fels: So seien Sie doch nicht so streng mit Ihrem Über-Ich, Herr Fuß!

Wiese: Da muss ich mich jetzt einmischen. Warum nehmen Sie denn nicht den einfacheren Weg über mich, die Wiese, ich bin weich und viel angenehmer zu begehen als der Fels.

Fels: Ach, meckern Sie doch nicht so herum mit dem armen Fusserl.

Über-Ich: Das gibt es doch nicht, dass ich auf einmal Schmerzen habe, wenn ich auf Felsen herum hüpfe. Das hab ich doch immer so gerne gemacht und gut gekonnt.

Fuß: Darf ich bescheiden anmerken, dass wir eben nicht mehr die Jüngsten sind und so manche Abnützungserscheinung in und an mir zu spüren ist. Schauen Sie sich doch die Sandale an; die ist auch schon ganz schön schäbig und sollte mal ausgetauscht werden.

Über-Ich: Soll ich vielleicht auch den Fuß austauschen, Ersatzteile anlegen? Kommt doch gar nicht in Frage! Hier auf dem Felsen steh ich fest und lass mich nicht so leicht vertreiben.

Fels: Sagen Sie mir doch lieber, wohin des Wegs Sie sind?

Fuß: Das hängt ganz von meinem Über-Ich ab, das dirigiert mich. Momentan sind wir zwar fest unterwegs, aber immer zögerlich, was die Zukunft betrifft.

Fels: Na, da sind Sie ja aus dem Schneider, denn die Zukunft ist sicher fußfrei.

Über-Ich: Ich höre mir jetzt schon zu lange diese Jammerei an. Aber das ist jetzt die Höhe! Was soll das heißen: fußfrei?

Fels: Bei dem Programm, das Sie haben, gnädigstes Über-Ich, Turnen, Tanzen, auf Trecking gehen, werden sie eines Tages ohne Ihre Fusserl auskommen müssen: Beinbruch, Wadenkrämpfe, Fersensporn sind da vorprogrammiert! Und dann ist es Schluss mit lustig durch die Gegend spazieren.

Über-Ich: Sie meinen wohl, Sie sind Petrus, der Fels, und glauben daher prophetische Fähigkeiten zu haben. Ich stehe doch mit beiden Füßen im Leben, gegen die Fußbeschwerden mache ich Fußgymnastik, lass mich massieren, geh auf Kur.

Fuß: Darf ich da was einwenden?

Über-Ich: Na gut, aber kurz und bündig.

Fuß: Etwas weicherer Untergrund als der Fels täte mir schon gut. Wie wär’s denn, wenn wir auf die grüne Wiese treten würden?

Über-Ich: Gar keine schlechte Idee!

Fuß: Fein, dann tun wir das doch. Da kann sich meine Gelenk entspannen und die Sohle wird aufatmen.

Fels: Kein Problem für mich. In der Wiese sind Sie auch der Erde viel näher, die Ihnen nämlich als Zukunft bevor steht. Das muss ich Ihnen schon sagen, auch wenn Sie sich noch so lackieren und schmieren. Davon bin ich felsenfest überzeugt. So wird’s werden am Ende aller Beschwerden!

Über-Ich: Frechheit! Sie können mir den Buckel runter rutschen mit Ihrem Pessimismus.

Erschienen im Kalender 2013 „Sechs Worte und mehr“