Eine Kuh für Janko

von Hedwig

Janko wurde im realen Sozialismus erzogen, wuchs in der Tschechoslowakei auf, studierte Technik und wanderte nach der Wende mit seiner Frau nach Amerika aus, studierte dort Wirtschaft und verdiente nach kurzer Zeit viel Geld. Er jonglierte Millionen hin und her, er war Finanzmanager großer Konzerne. Bald aber ging Ehe kaputt, waren die Jobs nicht mehr so ertragreich. Seit einigen Jahren pendelt er zwischen Chicago, wo Exfrau und Kinder leben, und Bratislava, wo seine Mutter und die neue Familie wohnen, hin und her. Er hat nicht viel Zeit zu überlegen, wie es ihm dabei geht. Er hat nicht viel Geld um es anzulegen und zu vermehren, wie er es für die Firmen, für die er arbeitet, tut. Er verbraucht alles für seinen Lebensstil zwischen den Kontinenten. Seine Mutter beklagt, dass er zu großzügig ist. Er gebe alles aus für seine Ex-Frau und Kinder, mache seiner Freundin zu üppige Geschenke, unterstütze eine Schulfreundin, Alleinerzieherin mit 5 Kindern, zahle die Wohnungsmiete seiner Mutter, die als Pensionistin in der Slowakei mit 400.- Euro pro Monat schwer zurechtkommt. Sie macht sich große Sorgen. Er bewahre nichts für sich auf, lege nichts an, könne nicht sparen, müsste doch ein Vermögen auf der Bank liegen haben. Sie habe Angst um ihn, um seine Familie, um seine Zukunft, er werde am Hungertuch nagen, er werde bankrott gehen, er werde als Obdachloser landen. Aber Janko, der Finanzmanager, meint nur, er brauche kein Geld für sich. Er hat das alte, verfallende Haus samt Garten der Großmutter in einem Dorf in Mähren, für dessen Verkauf er einen Pappenstiel bekommen hätte, übernommen. Vom letzten Geld werde er sich eine Kuh kaufen, von der er leben könne, wenn alle Finanzstricke reißen. Sein Vertrauen in den Kapitalismus ist offenbar gebrochen; er weiß, wohin er führt und was ihm Sicherheit bringt. Freilich kann er damit seine Mutter nicht beruhigen.

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